Im folgenden Interview beschäftigen wir uns mit dem Thema Wirtschaftsmediation. Hierzu haben wir das Expert*innen Team von Trialogis, Nina Schiestl, Barbara Wurz, Stefan Proksch und Gerhart Fürst befragt. Sie betreiben als Mediator`*innen gemeinsam in Wien die Firma Trialogis. Sie sind spezialisiert auf Konflikte in Unternehmen, Konfliktmanagement und Wirtschaftsmediation.
Wie unterscheidet sich Mediation von Wirtschaftsmediation?
Mediation verstehen wir als Überbegriff für alle Anwendungsgebiete wie Familien- oder Nachbarschaftsmediation, wirtschaftliche, soziale oder ökologische Themen.
Wirtschaftsmediation ist jene Form der Mediation, die sich mit Konflikten im Berufsleben befasst, also mit Differenzen in Organisationen (z.B. unter Kolleg*innen oder in Teams, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen, zwischen Geschäftsführung und Personalvertretung bzw. Betriebsrat oder unter Gesellschafter*innen eines Unternehmens) oder zwischen Organisationen (Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Wettbewerbsfragen, bei Bauverfahren oder betreffend Immobilieneigentum u.v.a.m.).
Immer öfter werden auch handelsgerichtliche Verfahren unterbrochen und in einer Mediation weitergeführt bzw. gelöst.
Die Problemstellungen sind in der Wirtschaftsmediation meist komplexer, da größere Systeme (mehr Betroffene, Arbeitsbereiche, Entscheidungsinstanzen etc.) mitberücksichtigt werden müssen.
Die Bewältigung der Corona-Krise ist für viele Unternehmen und Firmen eine große Herausforderung.
Welche Konflikte in Unternehmen haben ihrer Meinung nach Corona-bedingt in den letzten 2 Jahren zugenommen?
Im Homeoffice haben Mitarbeiter*innen trotz geringerer Kontrolle Verantwortung übernommen und Aufgaben erledigt. Nun nach der Rückkehr ins Büro wünschen sie sich diese Freiräume und das gegebene Vertrauen zu erhalten, während manche Führungskräfte sich wieder dem früheren Arbeitsstil annähern möchten. Da muss Miteinander neu verhandelt werden.
Auf ihrer Unternehmenswebsite trialogis.at ist die Rede von einem „systemischen Ansatz“ bei der Konfliktlösung. Können Sie bitte etwas genauer erklären was genau mit einem „systemischen Ansatz“ gemeint ist?
Unter „systemisch“ verstehen wir in diesem Zusammenhang, dass wir bei der Konfliktbearbeitung auch das Umfeld der Konfliktparteien im Blick behalten: wer ist noch betroffen und sollte ev. teilnehmen, wer muss worüber informiert werden, wer ist mitzudenken, wenn über Lösungen gesprochen wird. Darüber hinaus kann dies auch bedeuten, dass wir, wenn erforderlich, die Entwicklungs-Geschichte einer Organisation einbeziehen, um die aktuelle Dynamik besser zu verstehen.
Mit welchen Konflikten in Unternehmen haben sie als Mediatorin/Wirtschaftsmediatorin am meisten zu tun? – Oder anders gefragt: Welche Konflikt-Themen sehen Sie bei ihrer Arbeit immer wieder?
Das Grundthema sind oft enttäuschte Erwartungen. Das kann sich auf die Erfüllung von Aufgaben, auf Vergütung von Leistung oder - und das ganz häufig - auf den Umgang miteinander beziehen. Auch Verantwortlichkeiten und Informationsweitergabe sind häufige Themen. Gleichzeitig sind die Themen so vielfältig, dass man sagen kann, es gibt nichts was es nicht gibt.
Woran erkennen Firmen/Unternehmen, dass es Zeit ist für eine Mediation bzw. für ein begleitetes Konfliktlösungsverfahren? Was sind typische Anzeichen?
Wenn bisherige Lösungsversuche nur kurzfristige Erleichterung bringen;
wenn man das Gefühl hat, man dreht sich im Kreis;
wenn man nicht mehr weiß, wie man mit den vom Konflikt betroffenen konstruktiv sprechen soll, ev. sogar Angst vor diesem Gespräch hat.
Die Corona-Krise hat die Digitalisierung bei vielen Unternehmen beschleunigt. Sie bieten seit einiger Zeit auch „Online Mediation“ an. Wie sind ihre Erfahrungen mit dieser neuen, digitalen Möglichkeit der Konfliktlösung? Funktioniert sie genau so gut wie die klassische (offline) Mediation oder gibt es Grenzen?
Ja, die Online-Mediation funktioniert, sogar besser als wir zunächst vermutet hatten. Wir haben sogar festgestellt, dass Online-Mediation manche Vorteile hat, zum Beispiel den Wegfall von Reisezeiten. Mittlerweile haben wir bereits einige Mediationen online durchgeführt. Natürlich kann Online-Mediation die Präsenz-Mediation nicht vollständig ersetzen. Daher bieten wir unter anderem „hybride Mediation“ an, wo ein Teil online stattfindet, es aber auch gemeinsame Präsenz-Sitzungen gibt.
Vielen Dank für dieses ausfschlussreiche Interview zum Thema Mediation/Wirtschaftsmediation.
- Unser Interviewpartner
- Name: Trialogis
- Branche: Mediator / Wirtschaftsmediator
- Kurzinfo: Trialogis wurde 2007 als Beratungsunternehmen eingetragen und die Trialogis-Mediator*innen haben seither vielfache Erfahrungen mit der erfolgreichen Lösung von Konflikten zwischen Einzelpersonen und Gruppen und Unternehmen gesammelt.
- Webseite: https://www.trialogis.at/at/